BIOVERFÜGBARKEIT VON KOSMETIKA
Prof. Dr. Michael Schmidt | Dermatolan GmbH ©
Bioverfügbarkeit
Bioverfügbarkeit von Nahrungsmitteln und Nahrungsergänzungs-Präparaten wird im Blut gemessen. Im Unterschied dazu ist es noch wesentlich komplizierter, eine Aussage über die Bioverfügbarkeit von Hautpflegemitteln zu treffen.
Dermale Bioverfügbarkeit
Bei äußerlich aufgetragenen Kosmetika spielt die Bioverfügbarkeit natürlich ebenfalls eine große Rolle, denn was nützen die besten Wirkstoffe in einem Produkt, wenn diese sich nicht nach dem Auftragen auf die Hautoberfläche aus der Formulierung lösen und wirklich dorthin gelangen, wo sie wirken sollen.
Und da taucht schon der erste entscheidende Unterschied zu Nahrungsbestandteilen (und auch zu den meisten Arzneimitteln) auf: Bei der Ernährung wird die Bioverfügbarkeit im Blut gemessen, denn der Blutstrom versorgt ja alle Zellen im Körper. Bei Hautpflegemitteln variieren aber die tatsächlichen Wirkorte. Es kommt darauf an, wohin der jeweilige Kosmetik-Wirkstoff gelangen soll, also zum Beispiel zu den abschilfernden Hornhautzellen (Beispiel Peeling, Feuchthaltefaktoren, langkettige Fette etc.), an die Rein´sche Barriere (Beispiel Dermatolan-Komplex etc.) oder an die noch intakten Keratinozyten bis zu der Basalzellschicht (Detox-Wirkstoffe, Hyaluronsäure etc.). Und im Unterschied zu Nahrungsbestandteilen (und den meisten Medikamenten) sollen Kosmetika ja nicht über das Blut im Körper verteilt werden, also nicht systemisch wirken.
Freisetzung („Liberation“) und dermale Bioverfügbarkeit von kosmetischen Inhaltsstoffen über die Haut werden durch sehr viele Gegebenheiten beeinflusst. Insgesamt ist der Prozess ein sehr komplexes Wechselspiel zwischen der jeweiligen Substanz, den begleitenden Inhaltsstoffen und der Hautbeschaffenheit.
Liberation und Penetration
Eine kosmetische Rezeptur soll während der Lagerung in sich stabil sein, die Wasser- und die Fettphasen dürfen sich nicht trennen und die einzelnen Bestandteile sollen sich nicht negativ beeinflussen. Vereinfacht gesagt, sollen sich alle Inhaltsstoffe „wohl fühlen“ und sich gegenseitig „in Ruhe lassen“. Nach dem Auftragen auf die Hautoberfläche dagegen sollen sich Einzelstoffe „friedlich“ trennen, die Cremegrundlage verlassen und dann auch noch in unterschiedlich tief gelegene Hautschichten eindringen. Nach der erfolgreichen Trennung sollen die Wirkstoffe also nicht einfach auf der Haut liegen bleiben und mit der nächsten Reinigung wieder entfernt werden.
Die Bioverfügbarkeit einzelner Wirkstoffe hängt demnach davon ab, genau das richtige Maß an „Wohlfühlatmosphäre“ (Stabilität) während der Lagerung und der notwendigen Abstoßung (Instabilität) der verschiedenen Inhaltsstoffe nach dem Auftragen zu finden. Der nächste Schritt ist dann die Überprüfung des Eindringverhaltens des Wirkstoffes in die Haut.
Dazu kann ein Stoff z.B. mit einem (harmlosen) radioaktiv markierten Kohlenstoffatom (C-Atom) versehen werden und sein Weg in die Haut nach kurzen Zeitabständen mit Hilfe eines Tesafilm-Abrisses verfolgt werden. Diese Untersuchung ist sehr aufwendig, kostenintensiv und wird deshalb von nur wenigen „neugierigen“ Kosmetikentwicklern durchgeführt (wir sind naturgemäß sehr neugierig - oder eher wissbegierig?). Hier trennen sich Wissenschaft von Marketingversprechen.
Die Eindringtiefe in die Haut hängt neben den übrigen Kosmetikbestandteilen von der Hautbeschaffenheit ab. Die Dicke der Hornschicht und deren Wassergehalt beeinflussen z.B. den Weg des Wirkstoffes auf den ersten Mikrometern. Dann erreicht der Wirkstoff die Rein´sche Barriere. Soll er diese wichtige Hautbarriere überwinden, kommt es auf die Dichtigkeit der Barriere an. Unter der Barriere folgen dann die noch intakten Keratinozyten und schließlich die Basalzellschicht mit ihrer schwer durchgängigen Basalmembran auf der Unterseite. Auf dem Weg bis hierhin muss der Wirkstoff noch die sehr effektiven Enzyme in den Zellzwischenräumen unbeschadet überstehen. Werden alle diese Hürden genommen, erreicht der Wirkstoff die Blutbahn, er wird dann in den Körper resorbiert (was er nicht soll).
Die Kunst der Produktentwicklung liegt insgesamt darin, die einzelnen Wirkstoffe in genau der optimalen Konzentration an genau den Ort zu bringen, an dem sie ihre speziellen Wirkungen entfalten sollen. Und schon an dieser sehr vereinfachten Darstellung wird deutlich, dass Kosmetik absolut nichts Banales ist, sondern wirklich eine ungeheuer faszinierende Mischung aus Wissenschaft, Kunst und Ästhetik darstellt!